eine Hand, die ein Baby hält

PDA-Management

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Behandeln oder nicht – und wenn ja, dann wann?

Viele offene Fragen prägen das Management eines persistierenden Ductus arteriosus (PDA). Nachdem vor einigen Jahren noch ein früher, häufig auch operativer Ductusverschluss als State of the Art betrachtet wurde, geht der Trend derzeit zu größerer therapeutischer Zurückhaltung.

 

Pathophysiologisch ist die Folge eines persistierenden Ductus arteriosus (PDA) mit konsekutivem Links-Rechts-Shunt eine erhöhte Blutfüllung der Lunge mit entsprechender kardialer Mehrbelastung. Im Extremfall kommt es zum negativen Blutfluss während der Diastole in der Arteria cerebri anterior, dem Truncus coeliacus und der Aorta. Zur medikamentösen Therapie stehen drei Wirkstoffe zur Verfügung: Indometacin, Ibuprofen und Paracetamol. Wenn das nicht ausreicht, kann der Ductus operativ oder – bei etwas größeren Kindern – interventionell mithilfe eines Katheters unterbunden werden.


 

Wie eine aktuell erschienene Cochrane-Analyse ergeben hat, ist Ibuprofen ebenso wirksam wie Indometacin, geht jedoch mit einer geringeren Rate an nekrotisierender Enterokolitis und passagerer Niereninsuffizienz einher.¹ „Damit gibt es eine klare Präferenz für Ibuprofen – vorausgesetzt, dass man es nicht am Tag eins oder zwei schon gibt“, konstatierte Prof. Dr. Claudia Roll, Datteln. Nach früher Ibuprofengabe ist – wenn auch selten – das Auftreten einer pulmonalen Hypertonie beschrieben.²

 

Zwar deutet die Datenlage darauf hin, dass oral verabreichtes Ibuprofen häufiger zum Ductusverschluss führt, darüber hinaus ist es kostengünstiger und führt nicht zur Verdrängung von Bilirubin aus der Eiweißbindung. Doch zugelassen ist das Medikament bei Frühgeborenen nur für die intravenöse Gabe. Um die behandelnden Ärzte in dieser Frage nicht allein zu lassen, fordert Roll daher: „Hier wäre es eine Aufgabe für die neue Leitlinie, klar Stellung zu beziehen! Es ist ja nicht plausibel, das i.v.-Präparat zu geben, das potenziell weniger wirksam und nebenwirkungsreicher ist, nur weil es zugelassen ist.“

Unklare langfristige Risiken durch Paracetamol

Ähnlich effektiv wie Indometacin und Ibuprofen ist auch Paracetamol, hat jedoch weniger akute Nebenwirkungen im Sinne von thrombozytären Problemen oder gastrointestinalen Blutungen.³ Trotzdem sollte man sich davon nicht zu einem unkritischen Einsatz von Paracetamol verleiten lassen, denn langfristig könnte die Bilanz anders aussehen. Denn Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft Paracetamol erhalten haben, weisen im Schulalter häufiger kognitive Beeinträchtigungen oder ein Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom auf und entwickeln öfter Autismus-Spektrum-Störungen. Bei Mädchen sieht man zudem häufiger Verzögerungen in der Sprachentwicklung.⁴⁻⁵ „Das ist erschreckend, denn alle Schwangeren bekommen Paracetamol, wenn sie Schmerzen haben“, so Roll. „Und wir behandeln unsere Frühgeborenen ja im Grunde in einer späten Phase der Schwangerschaft.“ Auch Tierversuche konnten neurokognitive Störungen nach Paracetamol, nicht aber nach Ibuprofen bestätigen.⁶

 

Auf gültige Leitlinien der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin kann man derzeit beim Management des PDA beim Frühgeborenen leider nicht zurückgreifen, da sie bereits seit 2016 abgelaufen sind, sodass nicht klar ist, ob die dort formulierten Empfehlungen noch immer Gültigkeit besitzen.⁷ Die Leitlinien der American Academy of Pediatrics bescheinigt jedoch, dass eine frühe Routinebehandlung des PDA innerhalb der ersten beiden Lebenswochen – medikamentös wie chirurgisch – das Langzeit-Outcome der Kinder nicht verbessert.⁸ Ob dies auch für Hochrisikokinder gilt, ist derzeit noch unklar, ebenso ob bei (asymptomatischen) Frühgeborenen überhaupt eine Ductus-Therapie erfolgen sollte.

 

Therapeutisches Zuwarten genügt oft

Eine aktuell erschienene US-amerikanische Studie hat randomisiert verglichen, ob Frühgeborene unter 28 Gestationswochen mit moderatem bis großem persistierendem Ductus davon profitieren, innerhalb der ersten beiden Lebenswochen routinemäßig eine medikamentöse Therapie zu erhalten oder ob es günstiger ist, sie lediglich zu beobachten und eine Ductusbehandlung nur bei Bedarf einzuleiten.⁹ Dabei ergab sich zwischen beiden Gruppen weder ein Unterschied in der Rate von Ligaturen noch in der PDA-Häufigkeit bei Entlassung. Auch die Häufigkeit von nekrotisierender Enterokolitis, bronchopulmonaler Dysplasie und Tod waren identisch. Allerdings war insbesondere bei den etwas reiferen Frühgeborenen mit 26 oder 27 Gestationswochen unter routinemäßiger Therapie der orale Nahrungsaufbau deutlich verzögert. Gleichzeitig kam es in dieser Subgruppe häufiger zu einer Late-onset-Sepsis mit erhöhter Mortalität. Dies dürfte jedoch eher dem Behandlungsmanagement als der Medikation geschuldet sein, vermutete Roll, da in den USA häufig während einer medikamentösen Ductus-Therapie die Nahrung reduziert wird. „Das macht bei uns keiner.“ Aufgrund des langsameren Nahrungsaufbaus benötigten die Kinder deutlich länger einen intravenösen Zugang mit entsprechend erhöhtem Infektionsrisiko.


Ganz pragmatisch kann man sagen: Da eine routinemäßige frühe Therapie im Vergleich zur selektiven, späteren Behandlung keine Vorteile gezeigt hat, kann man wahrscheinlich getrost abwarten. Da die spontane Verschlussrate hoch ist und auch ein persistierender Ductus nicht zwangsläufig symptomatisch wird, dürfte es ausreichen, erst dann zu behandeln, wenn im Verlauf entsprechende klinische Kriterien gegen ein weiteres Zuwarten sprechen, so das Fazit der Diskussion. Auf diese Weise kann man vielen Kindern eine Behandlung ersparen, ohne Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Als wichtigster klinischer Marker für den Behandlungsbedarf wurde die hämodynamische Relevanz des Ductus angesehen, die sich am enddiastolischen Blutfluss in den großen Gefäßen sowie an der Durchblutung der peripheren Organe ablesen lässt.

 

Keine Indometacin-Prophylaxe für Mädchen

Intensiv diskutiert wurde auch der Stellenwert der Prophylaxe mit Indometacin bereits am ersten Lebenstag – idealerweise innerhalb der ersten sechs Lebensstunden. Dieses Vorgehen verbessert zwar nicht die Mortalität, reduziert aber die Gefahr schwerer Hirnblutungen.¹⁰ Da Indometacin das neurologische Outcome insgesamt jedoch nicht verbessert hat, gilt die Empfehlung der Indometacin-Prophylaxe nur für sehr unreife Frühgeborene in Zentren, in denen die Rate an Hirnblutungen per se eher hoch ist. Allerdings sollte man dies wahrscheinlich auf männliche Frühgeborene beschränken. Denn wie eine Nachuntersuchung der Daten des TIPP-Trials (Trial of Indomethacin Prophylaxis in Preterms)¹¹ gezeigt hat, gibt es für die Indometacin-Prophylaxe einen deutlichen Geschlechtsunterschied: Während Jungen von der Gabe eher profitieren, stieg bei den Mädchen das Risiko für Tod oder schwere Behinderung im Vergleich zu Placebo deutlich an. ¹²⁻¹³

 

 

[1] Ohlsson A, Walia R, Shah S. Ibuprofen for the treatment of patent ductus arteriosus in preterm or low birth weight (or both) infants. Cochrane Database Syst Rev 2018; 9: CD003481.

[2] Bellini C, Campone F, Serra G. Pulmonary hypertension following L-lysine ibuprofen therapy in a preterm infant with patent ductus arteriosus. CMAJ 2006; 174: 1843–4.

[3] Ohlsson A, Shah PS. Paracetamol (acetaminophen) for patent ductus arteriosus in preterm or low birth weight infants. Cochrane Database Syst Rev 2018; 4: CD010061
.

[4] Liew Z, Ritz B, Rebordosa C, et al. Acetaminophen use during pregnancy, behavioral problems, and hyperkinetic disorders. JAMA Pediatr 2014; 168: 313–20.

[5] van den Anker JN, Allegaert K. Acetaminophen in the neonatal intensive care unit: shotgun approach or silver bullet. J Pediatr 2018; 198: 10–1.

[6] Philippot G, Nyberg F, Gordh T, et al. Short-term exposure and long-term consequences of neonatal exposure to Δ(9)-tetrahydrocannabinol (THC) and ibuprofen in mice. Behav Brain Res 2016; 307: 137–44
.

[7] Koehne P. Diagnostik und Therapie des symptomatischen Ductus arteriosus des Frühgeborenen. AWMF-Leitlinienregister 024/15; Stand 01.08.2011.

[8] Benitz WE; Committee on Fetus and Newborn, American Academy of Pediatrics. Patent ductus arteriosus in preterm infants. Pediatrics 2016; 137: e20153730.

[9] Clyman RI, Liebowitz M, Kaempf J, et al. PDA-TOLERATE trial: an exploratory randomized controlled trial of treatment of moderate-to-large patent ductus arteriosus at 1 week of age. J Pediatr 2019; 205: 41–48.

[10] Fowlie PW, Davis PG, McGuire W. Prophylactic intravenous indomethacin for preventing mortality and morbidity in preterm infants. Cochrane Database Syst Rev 2010; 7: CD000174
.

[11] Schmidt B, Davis P, Moddemann D, et al. Long-term effects of indomethacin prophylaxis in extremely-low-birth-weight infants. N Engl J Med 2001; 344: 1966 –72.

[12] Ohlsson A, Roberts RS, Schmidt B, et al. Male/female differences in indomethacin effects in preterm infants. J Pediatr 2005; 147: 860–2.

[13] Roll C, Kutz P, Bührer C. Sex-specific actions of drugs in preterm infants. Acta Paediatr 2019; 108: 398–400.

 

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