CPAP – viel Licht, aber auch Schatten
Die Atmungsunterstützung mit kontinuierlich positivem Atemwegsdruck (CPAP) hat sich in Studien so gut bewährt, dass sie schon seit Jahren zur primären Versorgung spontan atmender Frühgeborener empfohlen wird. Doch Langzeit-Follow-up-Daten lassen Zweifel aufkommen, ob man den so behandelten Kindern damit immer einen Gefallen tut. Prof. Dr. Charles Christoph Röhr, Oxford/Berlin, beleuchtete die Entwicklung der Methode und gab einen kritischen Überblick über die aktuelle Datenlage.
Die Erfolgsgeschichte des CPAP reicht zurück bis Anfang der 70er Jahre, als George Gregory mit seinen Kollegen die nach ihm benannte Gregory-Box entwickelte, mit deren Hilfe sich die Überlebenschancen für Frühgeborene mit respiratorischem Versagen (RDS) eklatant erhöhten.¹⁻² Quasi zeitgleich wurden auch die Möglichkeiten der mechanischen Beatmung für Frühgeborene immer weiter verbessert, sodass CPAP – fast – in Vergessenheit geraten wäre, berichtete Röhr. Doch dann ergab ein Zentrumsvergleich, dass Frühgeborene mit RDS, die mit CPAP statt mit Intubation und mechanischer Beatmung behandelt worden waren, auffällig seltener eine bronchopulmonale Dysplasie (BPD) entwickelten.³ Dem ging Colin Morley mit einer internationalen Arbeitsgruppe in seinem 2008 veröffentlichten COIN-Trial⁴ auf den Grund: Eine große Kohorte von über 600 spontan atmenden Frühgeborenen mit einem Gestationsalter zwischen 25 und 28 Wochen wurde randomisiert entweder intubiert, beatmet und mit Surfactant versorgt oder lediglich mit CPAP behandelt. Dabei kamen über 40 % der Kinder der Interventionsgruppe ganz ohne jegliche mechanische Beatmung aus. „Die COIN-Studie ist nur eine von vielen Studien, die gezeigt hat, dass CPAP die Beatmungsnotwendigkeit und den Surfactantbedarf reduziert“, fasste Röhr die Ergebnisse zusammen. Als Konsequenz daraus hat sich die American Academy of Pediatrics sowie andere internationale Expertengremien ganz klar für eine primäre Atmungsunterstützung mit CPAP für spontan atmende Frühgeborene ausgesprochen.⁵⁻⁶
Korrekte Handhabung ist komplex
Jenseits der ermutigenden Evidenzdaten zum primären Einsatz von CPAP hat die Methode jedoch auch ihre Schattenseiten, so Röhr. So verursachte CPAP in einer unizentrischen Studie bei mehr als 40 % aller sehr unreifen Frühgeborenen mit weniger als 1.500 Gramm Geburtsgewicht (very low birth weight; VLBW) Verletzungen und Ulzera im Bereich des Nasenstegs bis hin zu gravierenden Nekrosen.⁷ Dabei handelte es sich um Patienten, die an einem großen Zentrum mit entsprechender Expertise in der CPAP-Versorgung behandelt wurden, gab Röhr zu bedenken. „Wenn man weiter in die Peripherie jenseits der großen Zentren geht, sieht man, dass die korrekte Anwendung von CPAP nicht so einfach ist und bei fehlender Erfahrung den Patienten häufig nicht zugutekommt.“
Auch hinsichtlich der Frage, ob ein vermehrter CPAP-Einsatz die BPD-Rate senken hilft, kommen Zweifel auf. So zeigen prospektiv erhobene US-amerikanische Registerdaten von knapp 35.000 Frühgeborenen (Gestationsalter 22 bis 28 Wochen, Geburtsgewicht 401 bis 1.500 Gramm), dass in den Jahren 1993 bis 2012 zwar der Anteil der Kinder, die bereits im Kreißsaal intubiert werden, von 80 auf 65 % abgenommen hat. Doch trotz des wesentlich weniger invasiven Managements zur Geburt ist die BPD-Rate im gleichen Zeitraum von unter 40 auf nahezu 50 % angestiegen.⁸ Ob man dafür das CPAP anschuldigen kann, ist fraglich – denn die Rate an CPAP-behandelten Kindern in dieser Analyse war mit 7 % 1993 und 11 % 2012 nahezu unverändert niedrig. Weitere Studien beleuchten diese Frage ebenfalls (s.u.).
Mehr CPAP – schlechtere Lungenfunktion?
Eine aktuell erschienene Longitudinaluntersuchung von Lex Doyle und Kollegen konzentriert sich auf die Frage, ob sich die zunehmende Non-Invasivität der Beatmungsstrategien bei Frühgeborenen langfristig in der Lungenfunktion niederschlägt.⁹ Sie analysierten die Daten von Frühgeborenen unter 28 Gestationswochen der Geburtsjahrgänge 1991/1992, 1997 sowie 2005 und korrelierte sie mit den Spirometrie-Befunden der Kinder im Alter von acht Jahren. „Doyle und Kollegen konnten ganz erstaunliche Ergebnisse berichten“, so Röhr. Denn es zeigte sich, dass insgesamt die Notwendigkeit jeglicher Form der Atmungsunterstützung über die Jahre signifikant zugenommen hatte. Dabei war die Intubationshäufigkeit gesunken, während die CPAP-Versorgung immens zugenommen hatte. Gleichzeitig hatte sich auch die Dauer der Sauerstoffgabe verlängert. Mit acht Jahren lag der Anteil der Kinder, deren Einsekundenkapazität (FEV1) unter 75 % des erwarteten Durchschnittswertes zurückblieb, im Geburtsjahrgang 2005 12 % höher als in den Geburtsjahrgängen 1991 / 1992 und sogar 24 % höher als im Geburtsjahrgang 1997. „Das sind bedenkens- und überdenkenswerte Ergebnisse“, konstatierte Röhr. Im Untersuchungszeitraum hatten sich jedoch neben den Beatmungsmodalitäten viele weitere Aspekte des Managements verändert, beispielsweise hatten mehr Kinder pränatal Steroide erhalten, die Surfactantgabe hatte sich zwischen 1991 und 2005 mehr als verdoppelt und der Anteil der Kinder, die postnatal Steroide erhalten hatten, war nahezu um die Hälfte gesunken.
CPAP-Versagen lässt sich vorhersagen
Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch, dass CPAP nicht für jedes Frühgeborene das richtige Verfahren ist. Die Häufigkeit von CPAP-Versagen korreliert nahezu linear mit dem Gestationsalter: je unreifer das Kind, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass es an der Intubation nicht vorbeikommt.¹⁰ Das CPAP-Versagen zeigt sich in neun von zehn Fällen bereits während der ersten 72 Lebensstunden – für Frühgeborene mit 25 bis 28 Gestationswochen im Median bereits nach 4,4 Stunden. Für diese Kinder zeichnete sich ein klares Risikokprofil ab (siehe Kasten). Für die betroffenen Kinder hat das gravierende Konsequenzen: Frühgeborene, die mit initialem CPAP nicht zurechtkommen, haben ein signifikant erhöhtes Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko.¹¹
Risikoprofil für CPAP-Versagen
- SGA-Kinder (small for gestational age)
- Mehrlingsgeburt
- unvollständige pränatale Lungenreifung
- Sectio vor Wehenbeginn
- niedrige Apgar-Werte
- problematische Transition
Fazit:
CPAP bleibt als Atemwegsunterstützung zwar generell die erste Wahl, ist aber nicht für jedes Frühgeborene optimal, insbesondere wenn es extrem unreif ist, resümierte Röhr. Daher sollte das obige Risikoprofil stets berücksichtigt werden. Der korrekte Einsatz ist nicht trivial, sondern erfordert vom gesamten Team viel Erfahrung und Geduld.
Vortrag: CPAP: Evidenz und Wirklichkeit
Referent: Prof. Dr. Charles Christoph Röhr, John Radcliffe Hospital, Oxford, und Charité Universitätsmedizin, Berlin
Literatur:
[1] Gregory GA, Kitterman JA, Phibbs RH, et al. Treatment of the idiopathic respiratory-distress syndrome with continuous positive airway pressure. N Engl J Med 1971; 284: 1333 – 40.
[2] Gregory GA. Methods of neonatal respiratory assistance. Br J Anaesth 1973; 45 (Suppl): 806 – 7.
[3] Avery ME, Tooley WH, Keller JB, et al. Is chronic lung disease in low birth weight infants preventable? A survey of eight centers. Pediatrics 1987; 79: 26 – 30.
[4] Morley CJ, Davis PG, Doyle LW, et al. Nasal CPAP or intubation at birth for very preterm infants. N Engl J Med 2008; 358: 700 – 8.
[5] Sweet DG, Carnielli V, Greisen G, et al. European consensus guidelines on the management of respiratory distress syndrome – 2016 update. Neonatology 2017; 111: 107 – 125.
[6] Committee on Fetus and Newborn; American Academy of Pediatrics. Respiratory support in preterm infants at birth. Pediatrics 2014; 133: 171 – 4.
[7] Fischer C, Bertelle V, Hohlfeld J, et al. Nasal trauma due to continuous positive airway pressure in neonates. Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed 2010; 95: F447 – 51.
[8] Stoll BJ, Hansen NI, Bell EF, et al. Trends in care practices, morbidity, and mortality of extremely preterm neonates, 1993-2012. JAMA 2015; 314: 1039 – 51.
[9] Doyle LW, Carse E, Adams AM, et al. Ventilation in extremely preterm infants and respiratory function at 8 years. N Engl J Med 2017; 377: 329 – 37.
[10] Dargaville PA, Gerber A, Johansson S, et al. Incidence and outcome of CPAP failure in preterm infants. Pediatrics 2016; 138: e20153985.
[11] Dargaville PA, Aiyappan A, De Paoli AG, et al. Continuous positive airway pressure failure in preterm infants: incidence, predictors and consequences. Neonatology 2013; 104: 8 – 14.
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