ein Baby mit einem Schlauch im Gesicht

Herniotomie bei Frühgeborenen

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Wann operieren?

Leistenhernien sind insbesondere bei männlichen Frühgeborenen häufig und erfordern eine operative Sanierung. Doch wann ist der beste Zeitpunkt für den elektiven Eingriff? Welches Körpergewicht sollte das Kind haben und welche Form der Anästhesie ist zu bevorzugen? Diese Fragen wurden nach einem spannenden Impulsreferat von Prof. Dr. Thomas Höhn, Düsseldorf, intensiv diskutiert.

 

Eine Leistenhernie sieht man bei Frühgeborenen mindestens doppelt so häufig wie bei Reifgeborenen. Je unreifer das Kind, umso höher sein Risiko – insbesondere wenn es sich um einen Jungen handelt, der lungenkrank ist und/oder beatmet werden muss, erläuterte Höhn.¹ Gefürchtet sind Leistenhernien vor allem wegen der Gefahr der Inkarzeration. Diese ist am höchsten bei kleinen Hernien mit entsprechend enger Bruchpforte. Epidemiologische Untersuchungen beziffern das Risiko auf bis zu 31%;² für Deutschland gibt es zwar keine publizierten Daten dazu, doch ist das Risiko hier in jedem Fall deutlich niedriger – darin waren sich Höhn und die Diskussionsteilnehmer einig.

Apnoe-Gefahr bei frühzeitiger Operation

Dass eine Leistenhernie daher operativ korrigiert werden muss, steht außer Frage. In den meisten Kliniken geschieht dies offen-chirurgisch, während der laparoskopische Eingriff derzeit (noch) weniger häufig zum Einsatz kommt. Diskussionswürdig ist jedoch der Zeitpunkt der Operation, die elektiv erfolgen kann, sofern keine Inkarzeration vorliegt oder – bei Mädchen – das Ovar nicht beteiligt ist. Erfolgt der Eingriff früh – sprich: noch vor Entlassung des Kindes aus der neonatologischen Intensivstation (NICU) – ist mit kardiopulmonalen Komplikationen zu rechnen. So treten bei jedem vierten Apnoen auf und eines von drei Kindern benötigt im Anschluss an die Operation (wieder) eine Form der Atmungsunterstützung; in 4% wird sogar eine Reintubation erforderlich.³ Diesen Problemen geht man weitgehend aus dem Weg, wenn man die Operation aufschiebt, bis das Kind 50 bis 60 Wochen p.m. alt ist. Dies hat den weiteren Vorteil, dass die betroffenen Strukturen – allen voran Samenstrang und Hoden – zu diesem Zeitpunkt schon etwas weniger klein und verletzlich sind. Darüber hinaus bringt eine erneute Krankenhausaufnahme durch die Kinderchirurgie abrechnungstechnische Vorteile mit sich – ein Argument, das in einigen Kliniken durchaus eine Rolle zu spielen scheint.

Emotionale Belastung der Eltern

Trotzdem strebt man in vielen Kliniken die Sanierung kurz vor Entlassung aus der NICU an. Denn auch eine späte Operation hat ihre Schattenseiten. Neben dem Risiko einer durch die Eltern möglicherweise nicht rechtzeitig erkannten Inkarzeration steht hier überwiegend die emotionale Belastung der Eltern im Vordergrund, die nach der ersehnten Entlassung aus der Klinik gleich den nächsten stationären Aufenthalt vor Augen haben und diese Zeit möglicherweise in beständiger Sorge vor Komplikationen durch die noch nicht sanierte Hernie durchleben.
Eine Studie, die randomisiert klären will, ob eine frühe oder eine spätere Operation günstiger ist, gibt es zwar (NCT 01678638), doch mit der Veröffentlichung der Daten ist wohl frühestens zum Jahr 2020 zu rechnen, da die Rekrutierung langsamer erfolgt als geplant. Vergleichsweise einig war man sich, dass eine elektive Sanierung der Leistenhernie erst erfolgen sollte, wenn das Kind ein ausreichend hohes Gewicht erlangt hat, wobei der Cut-off von vielen bei 2200 bis 2500 Gramm Körpergewicht gesehen wurde.

Kaudalanästhesie statt Vollnarkose

Da befürchtet werden muss, dass jede Vollnarkose im Säuglingsalter die neurokognitive Entwicklung in Mitleidenschaft ziehen könnte, wird der Eingriff in vielen Kliniken unter Kaudalanästhesie durchgeführt, deren Durchführung allerdings eine gute Sedierung des Kindes erfordert und die bei sehr kleinen Frühgeborenen technisch schwierig durchführbar ist. „Allerdings ist der Vorteil einer solchen regionalen Anästhesie mangels entsprechender Daten nicht gut belegt“, gab Höhn zu bedenken.⁴ Einen weiteren Mangel bedauert Höhn noch mehr: den an Outcome-Daten nach Leistenhernie. „Wir wissen leider überhaupt nicht, was später aus diesen Kindern wird.“ Um einen Begriff vom Ausmaß und der Häufigkeit einer testikulären Atrophie im Verlauf zu erhalten, müsste im Schulkindalter systematisch die Hodengröße bestimmt werden – ein Unterfangen, dessen praktische Umsetzung sicherlich nicht ganz einfach ist. „Hier können wir besser werden, wir müssen dafür ein entsprechendes Bewusstsein entwickeln“, forderte Höhn.

Honigplatte gegen Herniation

Wie sich – für viele überraschend – in der Diskussion herausstellte: In manchen Kliniken setzt man bei Früh- und Reifgeborenen mit Leistenhernie eine Honigplatte ein. Ähnlich wie früher die Bauchbinde bei Nabelbruch deckt diese Platte die Bruchpforten unter Aussparung der Genitalien ab und verhindert durch mechanischen Druck, dass die Hernie austritt. Die Kollegen berichteten über gute Erfahrungen mit dieser Methode – umso wichtiger wäre, konsequent prospektiv zu untersuchen, ob sich dies unter entsprechend definierten Bedingungen bestätigt.

 

[1] Fu YW, Pan ML, Hsu YJ, Chin TW. A nationwide survey of incidence rates and risk factors of inguinal hernia in preterm children. Pediatr Surg Int 2018; 34: 91 5.

[2] Stylianos S, Jacir NN, Harris BH. Incarceration of inguinal hernia in infants prior to elective repair. J Pediatr Surg 1993; 28: 582–3
.

[3] Gollin G, Bell C, Dubose R, et al. Predictors of postoperative respiratory complications in premature infants after inguinal herniorrhaphy. J Pediatr Surg 1993; 28: 244–7
.

[4] Craven PD, Badawi N, Henderson-Smart DJ, O’Brien M. Regional (spinal, epidural, caudal) versus general anaesthesia in preterm infants undergoing inguinal herniorrhaphy in early infancy. Cochrane Database Syst Rev; 2003; CD003669.

 

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