Auf die Verpackung kommt es an ...
Dass es schwierig ist, Eltern sehr unreifer Frühgeborener schlechte Nachrichten zur Prognose ihres Kindes zu vermitteln, liegt auf der Hand. Welchen Unterschied es dabei macht, ob der betreuende Arzt seine Botschaft mit einer optimistischen oder eher pessimistischen Konnotation überbringt, hat eine Mainzer Studie anhand von Video-Vignetten nun genauer untersucht.
Auf die Verpackung kommt es an ...
Muss man Eltern erläutern, dass bei ihrem sehr frühgeborenen Kind gravierende Komplikationen aufgetreten sind, ist stets Fingerspitzengefühl gefragt. Natürlich darf eine schlechte Prognose dabei nicht schöngeredet werden. Doch die Dinge können in einem optimistischeren oder einem pessimistischeren Licht dargestellt werden, ohne die zugrunde liegenden Fakten zu verändern. Dies kann die Wahrnehmung der Eltern deutlich verändern, wie diese Studie verdeutlicht.
Eingeschlossen waren 220 Eltern von sehr unreifen Frühgeborenen, die zwischen 2010 und 2019 geboren worden waren und überlebt haben. Zum Zeitpunkt der Untersuchung waren die Kinder im Schnitt knapp 6 Jahre alt (2,0–11,0 Jahre).
Diesen Eltern spielte man zwei Videosequenzen vor, in denen professionelle Schauspieler ein Aufklärungsgespräch zeigten. Dabei eröffnet ein Neonatologe den Eltern eines sehr unreifen Frühgeborenen, dass das Kind eine schwere intrazerebrale Blutung erlitten habe. Die zu erwartende Überlebenswahrscheinlichkeit betrüge 50 %; im Falle des Überlebens würde das Kind mit einer ebenfalls 50 %-igen Wahrscheinlichkeit eine Behinderung zurückbehalten. Diese Inhalte waren in beiden Videosequenzen identisch und auch das Setting, die Schauspieler, der Konversationsfluss, die Kameraeinstellungen und die Dauer des Gesprächs waren gleich.
Doch während die Prognose in dem einen Video als Wahrscheinlichkeit formuliert wurde, ohne Behinderung zu überleben, war in dem anderen Video vom Risiko für Tod oder Behinderung die Rede. Die beiden Aufnahmen beschrieben das sprichwörtliche Glas also quasi als halb voll oder als halb leer.
Den Probanden wurden in der randomisiert-kontrollierten Crossover-Studie beide Videos vorgespielt, allerdings in unterschiedlicher Reihenfolge: Die eine Hälfte sah zuerst die optimistischer formulierte Version, die andere zuerst die
pessimistischere. Die allermeisten Teilnehmenden gaben im Anschluss an, dass
sie die optimistischere Darstellung bevorzugten. Hatten sie zunächst die optimistische und danach die pessimistische gesehen, lag dieser Anteil bei 82%; hatten sie mit der pessimistischen begonnen, sogar bei 96%.
Unabhängig davon, welches Video als Erstes gezeigt wurde, stieg nach dem Betrachten der ersten Filmsequenz die Ängstlichkeit bei allen Teilnehmenden ähnlich stark an. Folgte auf die optimistische die pessimistische Version, blieb diese Ängstlichkeit unverändert hoch, während sie bei umgekehrter Reihenfolge nach dem optimistischeren Video wieder deutlich abnahm.
Auch der Arzt kam in der optimistischen Darstellung in der Einschätzung der Eltern besser weg: Er wurde als positiver, professioneller und empathischer wahrgenommen. Die Eltern hatten den Eindruck, besser informiert worden zu sein und fühlten sich kompetenter für eine gemeinsame Entscheidungsfindung. Darüber hinaus hatten die Probanden nach der optimistischeren Darstellung die genannte Überlebenswahrscheinlichkeit des Kindes akkurater im Gedächtnis, während sie nach der pessimistischeren Darstellung häufig sogar noch negativer erinnert wurde als sie geschildert worden war.
Referenz: Forth FA, Hammerle F, König J, et al. Optimistic vs pessimistic message framing in communicating prognosis to parents of very preterm infants – the COPE randomized clinical trail. JAMA Network Open 2024; 7(2): e240105
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