Eine Person sitzt an einem Tisch, die Hände tippen auf einem Laptop, auf dem Bildschirm des Laptops sind Informationen zu LISA zu sehen

LISA: Im Detail macht's jeder anders

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LISA – sprich: die Surfactantgabe über eine dünnlumige endotracheale Sonde unter Spontanatmung – wird fast in allen neonatologischen Intensivstationen zur Surfactantgabe eingesetzt. Doch viele praktische Details, für die es derzeit kaum Evidenz aus klinisch-randomisierten Studien gibt, werden sehr unterschiedlich gehandhabt. Eine umfassende Online-Befragung ist dem auf den Grund gegangen.

LISA – sprich: die Surfactantgabe über eine dünnlumige endotracheale Sonde unter Spontanatmung – hat sich zur Therapie des Frühgeborenen-Atemnotsyndroms (RDS) in Deutschland breit durchgesetzt und wird auch von den Europäischen Leitlinien als Applikationsmethode der ersten Wahl empfohlen. Doch im Detail gibt es noch viele offene Fragen, für die nur spärliche Evidenz verfügbar ist: Wann ist der beste Zeitpunkt für die Gabe? Wann ist eine zweite Dosis indiziert? Für welches Gestationsalter ist das Verfahren am besten geeignet? Sollte eine Analgosedierung erfolgen? Und falls ja, womit? Welche Atmungsunterstützung ist während der Prozedur zu bevorzugen? 

 

Mithilfe eines anonymen Online-Fragebogens, der deutschlandweit an 164 neonatologische Intensivstationen (NICUs) verschickt wurde, haben Tübinger Neonatologen erfasst, wie die klinische Praxis zu diesen Aspekten aussieht. Geantwortet haben 119 Teilnehmer aus insgesamt 122 NICUs (drei der Teilnehmenden leiten jeweils zwei NICUs). 

 

Für die Indikationsstellung zur Surfactantgabe mittels LISA oder InSurE (Intubation, Surfactantgabe, Extubation unter CPAP-Unterstützung) ist in den meisten Zentren (89 %) die Höhe des Sauerstoffbedarfs entscheidend; in 41 % der Kliniken werden zusätzlich auch klinische Faktoren wie der Silverman-Score oder andere Dyspnoe-Zeichen berücksichtigt. Der Lungenultraschall spielt dabei lediglich in 3 % der NICUs eine Rolle. 

 

In 117 Zentren (96 %) kommt LISA zum Einsatz; in 83 % der NICUs stellt dies die Applikationsform der ersten Wahl dar. Für extrem unreife Frühgeborene mit einem Gestationsalter unter 26 Wochen bevorzugt man in 24 % der Zentren jedoch invasivere Verfahren wie InSurE. 

 

War der erste Versuch der Surfactant-Applikation mittels LISA nicht erfolgreich, würden 48 % der Anwender*innen innerhalb einer Stunde einen erneuten Versuch machen. Bei ausbleibender klinischer Besserung würden man in 19 % der Kliniken das Kind intubieren, während man in 26 % der Zentren zunächst eine zweite, in 3 % auch eine dritte LISA-Prozedur vornehmen würde. 

 

In jeder dritten Klinik (36 %) erstreckt sich die Injektion des Surfactant-Bolus' über 30–60 Sekunden. In jedem vierten Haus (24 %) erfolgt die Gabe über ein bis zwei Minuten; in 9 % lässt man sich dazu sogar bis zu drei Minuten Zeit. In jedem fünften Zentrum (21 %) gibt man es etwas rascher: nämlich innerhalb von 30 Sekunden. Die Dosierung entspricht dabei in fast allen NICUs (91 %) der Dosierung, die man auch für InSurE oder im Rahmen einer konventionellen Intubation verwenden würde. 

 

Als Atmungsunterstützung kommt in 67 % der Zentren CPAP (continuous positive airway pressure) zum Einsatz, gefolgt von NIPPV (nicht-invasive positive Druckbeatmung) in 31 %. Dabei werden binasale Prongs mit 56 % rund doppelt so häufig eingesetzt wie mononasale Pharyngealtuben (26 %). Der endexspiratorische Druck (PEEP) liegt dabei median bei 6 cm H2O. 

 

Um den Frühgeborenen die Prozedur zu erleichtern, greift man in fast allen Zentren (96 %) auf nicht-medikamentöse Maßnahmen zurück. Mit 78 % am häufigsten genannt wurde dabei das umschließende Halten ("containment holding"), gefolgt von der Gabe von Zuckerlösung und Pucken mit je 61 %. Nicht-nutritives Saugen und "facilitated tucking" wurden hingegen nur von je einem Zentrum angegeben. Unter den medikamentösen Optionen zur Analgosedierung kommen am häufigsten (Es-)Ketamin (32 %), Propofol (24 %), Midazolam (18 %) und Morphin (11 %) zum Einsatz. Zusätzlich gibt man in 23 % der NICUs Atropin. In jedem vierten Zentrum (23 %) gibt es allerdings keinen definierten lokalen Standard für die Analgosedierung. 

 

Auch bei der Wahl des Katheters war die Variabilität groß: So bevorzugt man in 55 % der NICUs einen steifen Katheter, der oropharyngeal vorgeschoben wird, während in 26 % dazu ein weicher Katheter verwendet wird. In ebenfalls 26 % der Kliniken kommt ein weicher Katheter nasopharyngeal zum Einsatz. Häufig fällt dabei die Wahl auf einen speziell für LISA entwickelten Katheter wie surfcath™ (60 %) oder Neofact® (9 %). 

 

Diese Katheter werden meist (41 %) unabhängig vom Gestationsalter bis 1,5 cm unterhalb der Stimmbänder vorgeschoben. In 27 % der Zentren gilt dies lediglich für Frühgeborene unter 27 Wochen, während man bei reiferen Kindern noch einen halben Zentimeter zugibt. In jedem fünften Zentrum (21 %) gibt es dazu keinen dezidierten Standard.  

 

Der Survey zeigt, dass LISA zwar große Verbreitung gefunden und sich in den meisten Kliniken als Surfactant-Applikationsform der Wahl etabliert hat. Doch bezüglich der Indikationsstellung und viele Rahmenbedingungen bestehen erhebliche Unterschiede. Die Vor- und Nachteile der verschiedenen Herangehensweisen sollten unbedingt in zukünftigen Studien überprüft werden, um das LISA-Verfahren insgesamt zu optimieren und besser zu standardisieren, fordern die Autoren daher in ihrem Fazit. 

Referenzen

Maiwald CA, Franz AR, Poets CF, Springer L; LISA-Survey-Team Germany. Less invasive surfactant administration in preterm infants in tertiary neonatal intensive care units in Germany: a survey. Neonatology 2024 Jul 17: 1–10. doi: 10.1159/000539302 [online ahead of print].

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